Von Kindern sollen wir lernen, denn sie sprechen die Wahrheit.
Sie sprechen nicht etwa die Wahrheit, weil sie besonders edel oder klug wären. Sondern ganz im Gegenteil: Sie sind einfach zu dumm zum Lügen.
Das ist für mich als Journalist ein faszinierender Gedanke: Dass nämlich Dummheit und Wahrheit so nahe beieinander liegen, ja sich sogar gegenseitig fördern. Wer Wahrheit finden will, muss Dummheit suchen.
-------------
Wir Computer-Nerds sind versucht, alles auseinander zu nehmen, zu analysieren, Spezifikationen zu vergleichen und Leistung nach objektiven Tabellen zu messen. Aber das ist in höchstem Maße stümperhaft. Denn welche Erkenntnis gewinnen wir daraus? Wenn die Käufer schlicht zu doof sind, um zu begreifen, dass beim iMac der Computer bereits eingebaut ist, und wenn sie deswegen im Laden ausrufen: „Jesus! Das ist aber ein teurer Monitor!“, dann nützt es nichts, wenn wir Nerds die Qualität des iMacs mit einem Haufen Daten klipp und klar belegen können. Denn wer doof ist, ist mit einem Datenblatt in der Hand immer noch doof.
Wir geben es vielleicht nicht gerne zu. Aber den Doofen gehört die Welt. Und alles was wir tun und sagen, muss sich diesem Maßstab unterwerfen. Es ist nicht wahr, dass die Zukunft der Computertechnologie von Nobelpreisträgern und cleveren Genies gestaltet wird. Die Doofen haben längst das Ruder übernommen. Sie entscheiden. Was ihnen nicht einleuchtet, wird keinen Erfolg haben.

-------------
Bevor ich dazu komme, was das für die Zukunft des iPhones bedeutet, möchte ich diesen wichtigen Punkt noch etwas anschaulicher machen.
Nehmen wir mein Patenkind, welches in diesen Tagen drei Jahre alt geworden ist. Der kleine Bub wird gerade von den Windeln entwöhnt und befindet sich folglich in einer entscheidenden Phase seiner Entwicklung, welche die meisten unserer Zuschauer erfolgreich durchlaufen haben. Er ist außerdem mit jener unschuldigen Ehrlichkeit gesegnet, die ihn für uns zu einem perfekten Anschauungsobjekt macht.
Neulich strahlte der Junge über beide Ohren und funkelte mich mit seinen großen blauen Glubschaugen verheißungsvoll an. Er habe, so sagte er, einen großes Geschäft in das dafür vorgesehene Plastik-Klosett verrichtet, und etwas Pipi hinterher. Es folgte eine genaue Beschreibung, wie er das angestellt habe und wie das Ergebnis aussähe. Die ungebremste Begeisterung, mit der er diese Neuigkeiten mitzuteilen wusste, war bemerkenswert. Was ihn am meisten entzückte, war die Offensichtlichkeit des Ergebnisses. Es gab nichts zu erklären oder zu verstehen, sondern da waren er, die Schüssel und dessen Inhalt. Es gab einen unwiderlegbaren Beweis für seine Tat, und das erfüllte ihn mit Stolz und Befriedigung.

-------------
Selbstverständlich lobte ich seine Leistung und schloss mich seiner jugendlichen Freude unvermittelt an. Natürlich war dies nur vorgespielt, denn in Wahrheit ist eine Schüssel mit Exkrementen für mich nicht sonderlich interessant, selbst dann nicht, wenn sie von meinem Patenkind stammt.
Zwei Dinge fielen mir jedoch sofort auf: Erstens, ich habe meine Anteilnahme nur vorgetäuscht. Ich habe gelogen. Warum? Weil ich intelligent bin. Denn genau so wie Dummheit und Wahrheit verwandt sind, sind es auch Intellekt und Lüge.
Zweitens: Meine Reaktion auf die Schüssel und dessen Inhalt ist ziemlich exakt die gleiche, die ich den zahlreichen Windows-Anwendern entgegenbringe, mit denen ich unvermeidlich zu tun habe, wenn sie meine Wege kreuzen. Nichts könnte mir gleichgültiger sein als diese Plastikschüsseln von Dell, Acer, Asus, Medion und HP, die mir ungefragt unter die Nase gehalten werden; und die gezeigten Inhalte (meist stümperhaft hingeschmierte PowerPoint-Folien oder irgend ein konfuser Datenhaufen in Excel) sind durchaus vergleichbar mit dem Werk, auf das mein Patenkind so stolz war.
Damit ich nicht missverstanden werde: Ich will niemanden etwas schlecht machen. Ganz im Gegenteil, ich bin höflich und heuchle sogar eifriges Interesse und Begeisterung, genau wie bei meinem Patenkind. Der entscheidende Punkt ist: Diese Leute geraten in Euphorie, egal ob die Sache fies ist oder nicht. Wie mein Patenkind. Es ist diese unbedarfte Ehrlichkeit, die meine Testkandidaten zu einem guten Orakel machen. Entweder ihnen gefällt eine Sache, oder eben nicht, ganz egal, ob es dafür fachliche Gründe geben mag (oder eben nicht). Man kann an ihrem Verhalten ablesen, welche Produkte im Massenmarkt, dem Markt der Doofen, erfolgreich sein werden.
Das lässt sich sofort überprüfen: Meine Testkandidaten verwenden allesamt Windows-Laptops unterhalb der 700-Euro-Grenze. Und was verkauft sich derzeit am besten? Windows-Laptops unter 700 Euro. Da haben wir‘s!

-------------
Verblüffenderweise sind die meisten dieser Windows-Leute, mit denen ich zu tun habe, inzwischen auch im Besitz eines iPhones. Es kam Schritt für Schritt. Erst einer, dann zwei, dann wieder ein paar, und mittlerweile fast alle. Die paar wenigen, die noch keins haben, überprüfen gerade ihre laufenden Handy-Verträge.
Das iPhone gefällt den Doofen. Neulich flackerte nachts auf RTL oder Pro Sieben eine Werbung für erotische Inhalte über meinen TV-Schirm. Das ist nicht ungewöhnlich. Aber beworben wurde keine heiße Telefonnummer und keine Videotext-Seite. Beworben wurden Sexclips, die speziell für das iPhone aufbereitet waren. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich habe noch den Ausdruck „iPhone-Sex“ im Ohr. (Hallo, Anwälte!)
Kein Zweifel, das iPhone hat den Mainstream erreicht.

-------------
Wirklich? Noch hält es einen winzigen Marktanteil. Je nach Statistik sind es 2 oder 3 Prozent am Gesamtmarkt. Das ist geringer als der Marktanteil des Macs, also WIRKLICH gering.
Kein Problem. Steve Jobs meinte bei der Vorstellung des iPhones im Januar 2007, dass man selbst bei einem Marktanteil von einem einzigen Prozent immerhin 10 Millionen Geräte verkaufen würde, weil der Gesamtmarkt so groß sei. Die Botschaft war: Wir müssen nicht die dominante Plattform sein, um ein prima Geschäft zu haben. Was wiederum für die Analysten und Bänker bedeutete: Es gibt eine Chance auf Erfolg, obwohl es Microsoft nicht passt.
So hat es Apple immer gehalten: Eine feine Nische finden für jene, die es besser wissen. Der Rest kann ruhig draussen bleiben und wird nicht weiter vermisst.
Klingt gut, oder? Und so wunderbar friedlich.
Aber diese Möglichkeit, eine kleine Nische zu besetzen, hat das iPhone für immer zerstört, als es vom Handy zur Plattform wurde. Das hat den Markt grundlegend geändert, und mit ihm die Spielregeln. Seitdem geht es um Plattformen, nicht um Geräte. Kein Gerät, auch nicht das iPhone, wird in Zukunft als „Gerät“ überleben, sondern nur in Zusammenhang mit einer kompletten Plattform.
Hier mal eine Zahl, um die Verhältnisse zu demonstrieren: Apples AppStore wird zur Jahreswende etwa 100.000 Anwendungen bieten. Dazu noch das iTunes-Ökosystem, außerdem das OS und die Hardware clever integriert und aus einer Hand. Und der Zubehör-Markt. Das alles ist die Plattform. Wer heute einfach ein feines Handy entwickelt, und sei es noch so gut und innovativ, wird ausgelacht. Wo sind die 100.000 Applikationen? Wo die Spiele? Wo die Spielfilme zum Runterladen? Wo die Integration mit dem Desktop? Wo der zugehörige Online-Dienst? Wo der Zubehör-Markt?
Aber diese hohen Hürden haben nicht nur eine schützende Wirkung für Apple. Sie bedeuten auch eine enorme Herausforderung.
Denn ein Marktanteil von bequemen 2 oder 3 Prozent sind in Zukunft nicht mehr ausreichend. Eine Plattform braucht 30 oder 40 oder 50 Prozent. Oder mehr. Denn Plattformen tendieren nunmal dazu, eine immer größere Anziehungskraft zu entwickeln, je größer sie werden, und das ist irgendwann das unaufhaltbare Todesurteil für die kleineren Mitspieler. Sobald das Pendel zugunsten einer Plattform ausschlägt, entsteht eine Sogwirkung, die sich nur schwer wieder aufhalten lässt, vor allem in gesättigten Märkten. Windows beweist es.
Nur solange der Markt noch wächst, gibt es Chancen. Sobald er gesättigt ist, fressen sich die Haie gegenseitig, und der größte gewinnt. Der Druck auf die verbleibenden kleinen Fische steigt umso mehr. Wer also überleben will, muss der größte Hai werden, solange der Markt in Bewegung ist. Apples Zeit ist also begrenzt. Entweder wird das iPhone in dieser Zeit die dominante Plattform, oder sie wird automatisch ein Todeskandidat, früher oder später. Niemand kennt diesen gnadenlosen Mechanismus besser als Apple.

-------------
Vermutlich wird Apple deswegen alles daran setzen, den Marktanteil zu vergrößern, obwohl das auf den ersten Blick nicht zu Apple passt. Aber nach meiner Beobachtung ist Steve Jobs bereits auf dem Kriegspfad. Denn er hat mitgeteilt, dass man die Preise so gestalten werde, dass kein gemachtes Bett für Nachahmer entsteht, und das trifft bis jetzt zu. Übersetzt heisst das: Wer auch immer das iPhone zu unterbieten gedenkt, bekommt eine Überraschung aus Cupertino.
Das ist besonders in Hinblick auf ältere Zitate von Steve Jobs interessant, in denen er seine damaligen Nachfolger bei Apple kritisierte: Er sagte, anstatt erstmal den Marktanteil zu erhöhen, hätte man sich auf den technischen Vorsprung des Macs ausgeruht und obszöne Gewinnspannen eingefahren. Es scheint also offensichtlich zu sein, dass Steve Jobs diesen Fehler beim iPhone nicht wiederholen will. Steve Jobs ist alles andere als ein Luxus-Snob, der die Realitäten der Märkte nicht kennt.

Meine Prognose ist, dass das iPhone-Ökosystem die größte Plattform wird, Punkt. Ich sehe nicht, wer ihnen diesen Thron im Moment streitig machen könnte. Sie haben in wichtigen Punkten einen großen Vorsprung, der nur schwer wieder einzuholen ist, allem voran der AppStore und ein ausgereiftes OS. Erst wenn ganz andere Geschäftsmodelle üblich werden (werbefinanzierte Google-Handys), könnte sich das Blatt wenden.
Meine Prognose ist weiterhin, dass Apple mehr Kohle scheffeln wird als Microsoft. Das ist heute schwer vorstellbar, aber so wird es kommen. Apple macht bereits zwei Drittel des Gewinns von Microsoft, und die Schlacht beginnt erst. Der Handy-Markt ist etwa zehnmal so groß wie der PC-Markt, und Microsoft verkauft nur Software, die im Handy-Zeitalter nicht viel wert ist, weil es kostenlose Alternativen gibt.
Hier noch eine letzte Information über mein Patenkind: Soeben hat er herausgefunden, wie er das iPhone entsperrt und Programme startet. Damit sitzt er jetzt auf dem Topf.
Ich sag‘s ja. Die Welt gehört den Dummen. Und denen gefällt das iPhone. Sehr sogar.

Jörn Dyck
PS: Die Fotos habe ich natürlich aus dem Web geklaut und zeigen keine Personen, die mit mir verwandt sind.
Sie sprechen nicht etwa die Wahrheit, weil sie besonders edel oder klug wären. Sondern ganz im Gegenteil: Sie sind einfach zu dumm zum Lügen.
Das ist für mich als Journalist ein faszinierender Gedanke: Dass nämlich Dummheit und Wahrheit so nahe beieinander liegen, ja sich sogar gegenseitig fördern. Wer Wahrheit finden will, muss Dummheit suchen.
-------------
Wir Computer-Nerds sind versucht, alles auseinander zu nehmen, zu analysieren, Spezifikationen zu vergleichen und Leistung nach objektiven Tabellen zu messen. Aber das ist in höchstem Maße stümperhaft. Denn welche Erkenntnis gewinnen wir daraus? Wenn die Käufer schlicht zu doof sind, um zu begreifen, dass beim iMac der Computer bereits eingebaut ist, und wenn sie deswegen im Laden ausrufen: „Jesus! Das ist aber ein teurer Monitor!“, dann nützt es nichts, wenn wir Nerds die Qualität des iMacs mit einem Haufen Daten klipp und klar belegen können. Denn wer doof ist, ist mit einem Datenblatt in der Hand immer noch doof.
Wir geben es vielleicht nicht gerne zu. Aber den Doofen gehört die Welt. Und alles was wir tun und sagen, muss sich diesem Maßstab unterwerfen. Es ist nicht wahr, dass die Zukunft der Computertechnologie von Nobelpreisträgern und cleveren Genies gestaltet wird. Die Doofen haben längst das Ruder übernommen. Sie entscheiden. Was ihnen nicht einleuchtet, wird keinen Erfolg haben.

-------------
Bevor ich dazu komme, was das für die Zukunft des iPhones bedeutet, möchte ich diesen wichtigen Punkt noch etwas anschaulicher machen.
Nehmen wir mein Patenkind, welches in diesen Tagen drei Jahre alt geworden ist. Der kleine Bub wird gerade von den Windeln entwöhnt und befindet sich folglich in einer entscheidenden Phase seiner Entwicklung, welche die meisten unserer Zuschauer erfolgreich durchlaufen haben. Er ist außerdem mit jener unschuldigen Ehrlichkeit gesegnet, die ihn für uns zu einem perfekten Anschauungsobjekt macht.
Neulich strahlte der Junge über beide Ohren und funkelte mich mit seinen großen blauen Glubschaugen verheißungsvoll an. Er habe, so sagte er, einen großes Geschäft in das dafür vorgesehene Plastik-Klosett verrichtet, und etwas Pipi hinterher. Es folgte eine genaue Beschreibung, wie er das angestellt habe und wie das Ergebnis aussähe. Die ungebremste Begeisterung, mit der er diese Neuigkeiten mitzuteilen wusste, war bemerkenswert. Was ihn am meisten entzückte, war die Offensichtlichkeit des Ergebnisses. Es gab nichts zu erklären oder zu verstehen, sondern da waren er, die Schüssel und dessen Inhalt. Es gab einen unwiderlegbaren Beweis für seine Tat, und das erfüllte ihn mit Stolz und Befriedigung.

-------------
Selbstverständlich lobte ich seine Leistung und schloss mich seiner jugendlichen Freude unvermittelt an. Natürlich war dies nur vorgespielt, denn in Wahrheit ist eine Schüssel mit Exkrementen für mich nicht sonderlich interessant, selbst dann nicht, wenn sie von meinem Patenkind stammt.
Zwei Dinge fielen mir jedoch sofort auf: Erstens, ich habe meine Anteilnahme nur vorgetäuscht. Ich habe gelogen. Warum? Weil ich intelligent bin. Denn genau so wie Dummheit und Wahrheit verwandt sind, sind es auch Intellekt und Lüge.
Zweitens: Meine Reaktion auf die Schüssel und dessen Inhalt ist ziemlich exakt die gleiche, die ich den zahlreichen Windows-Anwendern entgegenbringe, mit denen ich unvermeidlich zu tun habe, wenn sie meine Wege kreuzen. Nichts könnte mir gleichgültiger sein als diese Plastikschüsseln von Dell, Acer, Asus, Medion und HP, die mir ungefragt unter die Nase gehalten werden; und die gezeigten Inhalte (meist stümperhaft hingeschmierte PowerPoint-Folien oder irgend ein konfuser Datenhaufen in Excel) sind durchaus vergleichbar mit dem Werk, auf das mein Patenkind so stolz war.
Damit ich nicht missverstanden werde: Ich will niemanden etwas schlecht machen. Ganz im Gegenteil, ich bin höflich und heuchle sogar eifriges Interesse und Begeisterung, genau wie bei meinem Patenkind. Der entscheidende Punkt ist: Diese Leute geraten in Euphorie, egal ob die Sache fies ist oder nicht. Wie mein Patenkind. Es ist diese unbedarfte Ehrlichkeit, die meine Testkandidaten zu einem guten Orakel machen. Entweder ihnen gefällt eine Sache, oder eben nicht, ganz egal, ob es dafür fachliche Gründe geben mag (oder eben nicht). Man kann an ihrem Verhalten ablesen, welche Produkte im Massenmarkt, dem Markt der Doofen, erfolgreich sein werden.
Das lässt sich sofort überprüfen: Meine Testkandidaten verwenden allesamt Windows-Laptops unterhalb der 700-Euro-Grenze. Und was verkauft sich derzeit am besten? Windows-Laptops unter 700 Euro. Da haben wir‘s!

-------------
Verblüffenderweise sind die meisten dieser Windows-Leute, mit denen ich zu tun habe, inzwischen auch im Besitz eines iPhones. Es kam Schritt für Schritt. Erst einer, dann zwei, dann wieder ein paar, und mittlerweile fast alle. Die paar wenigen, die noch keins haben, überprüfen gerade ihre laufenden Handy-Verträge.
Das iPhone gefällt den Doofen. Neulich flackerte nachts auf RTL oder Pro Sieben eine Werbung für erotische Inhalte über meinen TV-Schirm. Das ist nicht ungewöhnlich. Aber beworben wurde keine heiße Telefonnummer und keine Videotext-Seite. Beworben wurden Sexclips, die speziell für das iPhone aufbereitet waren. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich habe noch den Ausdruck „iPhone-Sex“ im Ohr. (Hallo, Anwälte!)
Kein Zweifel, das iPhone hat den Mainstream erreicht.

-------------
Wirklich? Noch hält es einen winzigen Marktanteil. Je nach Statistik sind es 2 oder 3 Prozent am Gesamtmarkt. Das ist geringer als der Marktanteil des Macs, also WIRKLICH gering.
Kein Problem. Steve Jobs meinte bei der Vorstellung des iPhones im Januar 2007, dass man selbst bei einem Marktanteil von einem einzigen Prozent immerhin 10 Millionen Geräte verkaufen würde, weil der Gesamtmarkt so groß sei. Die Botschaft war: Wir müssen nicht die dominante Plattform sein, um ein prima Geschäft zu haben. Was wiederum für die Analysten und Bänker bedeutete: Es gibt eine Chance auf Erfolg, obwohl es Microsoft nicht passt.
So hat es Apple immer gehalten: Eine feine Nische finden für jene, die es besser wissen. Der Rest kann ruhig draussen bleiben und wird nicht weiter vermisst.
Klingt gut, oder? Und so wunderbar friedlich.
Aber diese Möglichkeit, eine kleine Nische zu besetzen, hat das iPhone für immer zerstört, als es vom Handy zur Plattform wurde. Das hat den Markt grundlegend geändert, und mit ihm die Spielregeln. Seitdem geht es um Plattformen, nicht um Geräte. Kein Gerät, auch nicht das iPhone, wird in Zukunft als „Gerät“ überleben, sondern nur in Zusammenhang mit einer kompletten Plattform.
Hier mal eine Zahl, um die Verhältnisse zu demonstrieren: Apples AppStore wird zur Jahreswende etwa 100.000 Anwendungen bieten. Dazu noch das iTunes-Ökosystem, außerdem das OS und die Hardware clever integriert und aus einer Hand. Und der Zubehör-Markt. Das alles ist die Plattform. Wer heute einfach ein feines Handy entwickelt, und sei es noch so gut und innovativ, wird ausgelacht. Wo sind die 100.000 Applikationen? Wo die Spiele? Wo die Spielfilme zum Runterladen? Wo die Integration mit dem Desktop? Wo der zugehörige Online-Dienst? Wo der Zubehör-Markt?
Aber diese hohen Hürden haben nicht nur eine schützende Wirkung für Apple. Sie bedeuten auch eine enorme Herausforderung.
Denn ein Marktanteil von bequemen 2 oder 3 Prozent sind in Zukunft nicht mehr ausreichend. Eine Plattform braucht 30 oder 40 oder 50 Prozent. Oder mehr. Denn Plattformen tendieren nunmal dazu, eine immer größere Anziehungskraft zu entwickeln, je größer sie werden, und das ist irgendwann das unaufhaltbare Todesurteil für die kleineren Mitspieler. Sobald das Pendel zugunsten einer Plattform ausschlägt, entsteht eine Sogwirkung, die sich nur schwer wieder aufhalten lässt, vor allem in gesättigten Märkten. Windows beweist es.
Nur solange der Markt noch wächst, gibt es Chancen. Sobald er gesättigt ist, fressen sich die Haie gegenseitig, und der größte gewinnt. Der Druck auf die verbleibenden kleinen Fische steigt umso mehr. Wer also überleben will, muss der größte Hai werden, solange der Markt in Bewegung ist. Apples Zeit ist also begrenzt. Entweder wird das iPhone in dieser Zeit die dominante Plattform, oder sie wird automatisch ein Todeskandidat, früher oder später. Niemand kennt diesen gnadenlosen Mechanismus besser als Apple.

-------------
Vermutlich wird Apple deswegen alles daran setzen, den Marktanteil zu vergrößern, obwohl das auf den ersten Blick nicht zu Apple passt. Aber nach meiner Beobachtung ist Steve Jobs bereits auf dem Kriegspfad. Denn er hat mitgeteilt, dass man die Preise so gestalten werde, dass kein gemachtes Bett für Nachahmer entsteht, und das trifft bis jetzt zu. Übersetzt heisst das: Wer auch immer das iPhone zu unterbieten gedenkt, bekommt eine Überraschung aus Cupertino.
Das ist besonders in Hinblick auf ältere Zitate von Steve Jobs interessant, in denen er seine damaligen Nachfolger bei Apple kritisierte: Er sagte, anstatt erstmal den Marktanteil zu erhöhen, hätte man sich auf den technischen Vorsprung des Macs ausgeruht und obszöne Gewinnspannen eingefahren. Es scheint also offensichtlich zu sein, dass Steve Jobs diesen Fehler beim iPhone nicht wiederholen will. Steve Jobs ist alles andere als ein Luxus-Snob, der die Realitäten der Märkte nicht kennt.
Meine Prognose ist, dass das iPhone-Ökosystem die größte Plattform wird, Punkt. Ich sehe nicht, wer ihnen diesen Thron im Moment streitig machen könnte. Sie haben in wichtigen Punkten einen großen Vorsprung, der nur schwer wieder einzuholen ist, allem voran der AppStore und ein ausgereiftes OS. Erst wenn ganz andere Geschäftsmodelle üblich werden (werbefinanzierte Google-Handys), könnte sich das Blatt wenden.
Meine Prognose ist weiterhin, dass Apple mehr Kohle scheffeln wird als Microsoft. Das ist heute schwer vorstellbar, aber so wird es kommen. Apple macht bereits zwei Drittel des Gewinns von Microsoft, und die Schlacht beginnt erst. Der Handy-Markt ist etwa zehnmal so groß wie der PC-Markt, und Microsoft verkauft nur Software, die im Handy-Zeitalter nicht viel wert ist, weil es kostenlose Alternativen gibt.
Hier noch eine letzte Information über mein Patenkind: Soeben hat er herausgefunden, wie er das iPhone entsperrt und Programme startet. Damit sitzt er jetzt auf dem Topf.
Ich sag‘s ja. Die Welt gehört den Dummen. Und denen gefällt das iPhone. Sehr sogar.

Jörn Dyck
PS: Die Fotos habe ich natürlich aus dem Web geklaut und zeigen keine Personen, die mit mir verwandt sind.
Kommentar